Europäischer Kiezspaziergang in Steglitz
Zusammengestellt von Nele Dittmar, Ronald Frank, Lisa Kühn und Andreas Streit.
Das historische brandenburgische Dorf Steglitz ist slawischen Ursprungs und bedeutet „Ort, wo es Stieglitze gibt.“ Es gehörte bis 1920 zum Kreis Teltow. Mit der Schaffung von Groß-Berlin 1920 wurde Steglitz auch der Name des 12. Verwaltungsbezirks von Berlin. Dieser wurde aus Steglitz, Groß-Lichterfelde, Lankwitz und der bisher zu Mariendorf gehörenden Villenkolonie Südende gebildet. Die Fusion des Bezirkes Steglitz mit dem Bezirk Zehlendorf erfolgte 2001 zum Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Der Ortsteil Steglitz blieb unverändert bestehen. Die Steglitzer Schloßstraße bildet das Zentrum des Ortsteils. Sie ist die zweitgrößte Einkaufsstraße Berlins und somit der wichtigste Zentralort des Berliner Südens.
Station 1: Der Bierpinsel
Schloßstraße 17
Zum Start unseres Spaziergangs treffen wir uns bei dem sehr auffälligen Bau des Turmrestaurants (im Berliner Jargon: der Bierpinsel), bei schönem Wetter auf dem Franz-Amrehn-Platz, bei Regen besser gegenüber unter der Brücke beimU-Bahnhof Schlossstraße direkt neben „Werken, Spielen, Schenken“.
Das am 13. Oktober 1976 eröffnete Turmrestaurant Steglitz ist ein 47 Meter hoher Turm mit aufgesetztem Mehreckbau nebst Treppenturm. Das Gebäude wurde zwischen 1972 und 1976 nach Plänen der Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte erbaut, die auch das ICC Berlin entwarfen. Er ist Teil der Pop-Art-Strömung und eines von wenigen architektonischen Kunstprodukten, das aus den 1970er Jahren erhalten blieb.
Die Pop-Art ist eine Kunstrichtung, vor allem in der Malerei und Skulptur, die Mitte der 1950er Jahre unabhängig voneinander in Großbritannien und den USA entstand, und in den 1960er Jahren zu einer vorherrschenden künstlerischen Ausdrucksform Nordamerikas und Europas wurde.
Der Bierpinsel hat eine sehr wechselhafte Nutzungsgeschichte. Als „Pleitebau“ soll er wieder für die Gastronomie eröffnet werden.
Wegbeschreibung: Wir folgen der Schloßstraße in Richtung Rathaus. Auf der linken Seite biegen wir nach links in die Kieler Straße. Wir unterqueren die A103 in die Bergstraße. Kurz darauf biegen wir nach rechts in die Heesestraße und sammeln uns vor dem Haupteingang des Gymnasiums Steglitz.
Station 2: Europaschule Gymnasium Steglitz
Heesestraße 15
Das Gymnasium Steglitz wurde 1886 in der damals noch eigenständigen Gemeinde Steglitz gegründet. Es ist ein altsprachliches humanistisches Gymnasium. Seit dem Schuljahr 2012/2013 ist das Gymnasium Steglitz auch Standort für die Staatliche Europaschule Berlin (SESB) Griechisch. Die Fremdsprachen der SESB-Schüler sind Neugriechisch, Englisch (beide ab Klassenstufe 5), ab der 7. Klassenstufe verpflichtend Französisch.
Die Staatliche Europa-Schule Berlin ist ein besonderes Angebot der Berliner Schule. Sie ist die bildungspolitische Antwort auf ein zusammenwachsendes Europa. Das Konzept der Schule ist einzigartig in der Bundesrepublik: Sie ist keine Eliteeinrichtung für besonders Begabte oder Diplomatenkinder. Die Arbeitsgemeinschaft „Staatliche Europa - Schule Berlin“ (AG SESB) der Europa-Union Berlin ist eine Bürgerinitiative aus Eltern, Pädagog:innen und Unterstützer:innen, die vor mehr als 30 Jahren das Schulmodell der SESB mitkonzipierten.
Wegbeschreibung: Wir machen einen kleinen Abstecher in die Südendstraße zum hinteren Eingang der Schule.
Station 3: Der Wandervogel e. V.
1901 wurde von Schülern des Gymnasiums Steglitz der Verein „Die Wandervögel“ gegründet. Angetrieben durch Bewegungen der Reformpädagogik, dem Ausbruch aus der industriellen ungesunden Stadt hin zur Natur und der Freikörperkultur wollten sich die Schüler einen Freiraum außerhalb der autoritären Schulobrigkeit schaffen. Diese Jugendbewegung breitete sich rasch über ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz aus, hatte dann aber eine sehr wechselvolle Geschichte und wurde letztlich während des Nationalsozialismus in die Hitlerjugend integriert. Reste der Bewegung existieren in kleinen Gruppen auch noch heute. Eine Informationsstele zur Wandervogelbewegung befindet sich am hinteren Eingang zur Schule in der Südendstraße und eine Gedenktafel an der Rathauswand (Station 3b).
Ein Engagement der Jugend für Gesellschaft und Politik ist natürlich sehr wichtig. Die JEF, die Jungen Europäischen Föderalist:innen, ist die Jugendbewegung der europaweiten Union der Europäischen Föderalisten zu der auch die Europa-Union Deutschland und Berlin gehören.(EFRE) gefördert.
Wegbeschreibung: Wie kehren zurück zur Heesestraße und folgen dieser nach rechts bis zur Albrechtstraße. An der Ecke erreichen wir unsere nächste Station.
Station 4: Polnische Feinkost Häusler
Albrechtstraße 120
Liebe und Heimatverbundenheit geht bekanntlich durch den Magen. Das trifft natürlich auch für Europa mit seiner großen Vielfalt an Kulturen und ihren herrlichen nationalen Delikatessen zu. Liebevoll und gut sortiert versorgen viele spezialisierte Händler ihre entsprechenden Landsleute mit allem, was sie gewohnt sind. Diese Läden sind ein sichtbarer bunter Ausweis für die lebendige Vielfalt unsere Stadt.
In Berlin leben über 60.000 polnische Bürger:innen und eine noch größere Zahl an Bundesbürger:innen mit polnischen Wurzeln, die sich hier im „Feinkost Häusler“ mit Originalzutaten für ihre Küche versorgen können.
Wegbeschreibung: Wir kreuzen die Albrechtstraße und gehen in die Schützenstraße. Nach ca. 50m geht ein Fußweg links zur Mittelstraße. Bei der Nummer 33 erreichen wir die nächste Station.
Station 5: Hellenische Gemeinde zu Berlin e. V.
Mittelstraße 33
In Steglitz sind viele Menschen mit griechischen Wurzeln zu Hause. Dieses Zentrum versteht sich als eine Begegnungsstätte für Griech:innen (Erwachsene, Jugendliche und Kinder) und andere interessierte Menschen, als ein Ort für Bildung und Kulturpflege, insbesondere der Pflege der heimatlichen Kultur (durch Sprachkurse Griechisch/Deutsch, Seminare, Tagungen, Vorträge, Ausstellungen, Tanzkurse, traditionelle Feste u.v.m.), aber auch als ein Ort der Freizeitgestaltung.
Wegbeschreibung: Wir gehen die Mittelstraße zurück und über die Schützenstraße hinaus geradeaus weiter bis zur Berlinickestraße. Wir unterqueren die A103 und halten uns rechts bis zum Hermann-Ehlers-Platz.
Station 6: Hermann-Ehlers-Platz
Der Hermann-Ehlers-Platz ist ein lebendiger Mittelpunkt des Altbezirks Steglitz. Hier finden der Wochenmarkt sowie viele andere Veranstaltungen statt. Ein „Partnerschaftsbaum“ zeigt mit seinen Wegweisern in die Himmelsrichtungen der vielen Städtepartnerschaften des Bezirks. Ein paar Schritte weiter erinnert eine Spiegelwand an die jüdische Synagoge an der Düppelstraße und den Holocaust in Berlin. In 18 blank polierten Edelstahlplatten sind die Namen von 1723 deportierten Juden und Jüdinnen eingraviert, 600 von ihnen kommen aus Steglitz.
Wegbeschreibung: Wir gehen an der großen Straßenkreuzung zunächst hinüber zum Rathaus. An der Ecke zur Grunewaldstraße befindet sich an der Hauswand eine Gedenktafel für die Wandervögel (Station 3b). Dann überqueren wir die Grunewaldstraße und sehen schon rechter Hand das gelbe Gebäude der Schwartzschen Villa.
Station 7: Die Schwartzsche Villa / Charkiw-Park
Grunewaldstraße 54-55
Dieses schöne Gebäude wurde 1898 als Sommersitz des Bankiers Carl Schwartz ein-geweiht. Nach dem Krieg und Tod der letzten Familienangehörigen stand das Haus leer und wurde dann lange von Studenten und Wohngemeinschaften belegt. Ab 1981 setzte sich die Kulturinitiative Lankwitz für die Erhaltung und den Umbau der Villa zum Kulturzentrum ein.
Im Obergeschoss befindet sich jetzt die Galerie für Ausstellungen der Gegenwartskunst und der Regionalgeschichte sowie das Zimmertheater. Das Erdgeschoss bietet im Großen und Kleinen Salon Raum für vielfältige Veranstaltungen und Künstler:innen können im Keller die Produktionsmöglichkeiten einer Radierwerkstatt sowie einer Probebühne nutzen.
Das Café wird vom sozialen Unternehmen MOSAIK betrieben. Mosaik ermöglicht behinderten Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben. Wer nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann, kann hier eine Ausbildung in einem großen Angebot an Berufsfeldern absolvieren und findet danach hier eine Beschäftigung. Aktuell lernen und arbeiten mehr als 1.000 Menschen mit Behinderung bei Mosaik.
Der Park neben der Villa trägt seit Oktober letzten Jahres aus Solidarität mit den Geflüchteten aus der ukrainischen Stadt Charkiw den Namen Charkiw-Park.
Wegbeschreibung: Hier endet unser Spaziergang. S-Bahn und U-Bahn „Rathaus-Steglitz“ sind von hier aus schnell zu erreichen.
Die Europa-Union Deutschland (EUD) ist die größte Bürgerinitiative für Europa in Deutschland. Unabhängig von Parteizugehörigkeit, Alter und Beruf engagieren wir uns für die europäische Einigung. Wir sind aktiv auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Die Europa-Union Berlin (EUB) möchte den Bürger:innen der Stadt und auch unseren Gästen zeigen, wo und wie in der Stadt Europa gegenwärtig ist und auf unser Leben wirkt. Dazu organisieren wir Europäische Kiezspaziergänge, um in unseren lebendigen Nachbarschaften europäische Spuren aufzuzeigen. Unsere Kiezspaziergänge sind grundsätzlich als reale Begegnung der Teilnehmer:innen und gemeinsame Erwanderung der Stationen mit persönlicher Begrüßung und Erläuterung der besuchten Einrichtungen konzipiert.