Handelt die Europäische Union im Sinne der Bürger*innen? Oder stehen die Interessen der Wirtschaft im Mittelpunkt? Wie stehen die Chancen auf eine einheitliche europäische Sozialpolitik gerade in Pandemiezeiten? Wohin steuert das soziale Europa?
Die jüngste Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Europa kontrovers“ fand zusammen mit der LAG der Europabeauftragten der Berliner Bezirke und dem Europe Direct in der Berliner Landeszentrale für politische Bildung digital stand. Anlässlich des EU-Sozialgipfels in Porto ein paar Tage vorher diskutierten SPD-Europaabgeordnete Gabriele Bischoff, FDP-Abgeordneter des Berliner Abgeordnetenhauses Stefan Förster, Alexandra Kramer vom DGB und Arne Franke vom BDA über die Frage „Markt oder Mensch - wem dient die EU?“.
Die Teilnehmenden gaben eine gemischte Bilanz zum Ausgang der Treffen der EU-Sozialminister*innen und brachten ihre jeweiligen Bedenken zum Ausdruck. Gabriele Bischoff hob die soziale Flankierung des Binnenmarktes als Kernanliegen der EU-Sozialpolitik hervor. Das Versprechen von besseren Arbeits- und Lebensbedingungen müsse unbedingt erfüllt werden. Gerade die Corona-Pandemie habe wie ein Brennglas gezeigt, wie wichtig soziale Absicherung und Mindeststandards als „Haltelinie nach unten“ seien. Die Pandemie habe hier die Augen geöffnet für bestimmte Bereiche, wie Kurzarbeit und koordiniertes Vorgehen sein nun wichtig.
Alexandra Kramer stellte klar, dass niemand die Errungenschaften des Binnenmarktes in Frage stelle. Gleichzeitig fordere der DGB klare Spielregeln für alle Beteiligten. Sie lobte den Paradigmenwechsel im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie. Im Vergleich zur Eurokrise gebe es nun eine massive Investitionsoffensive. Die Initiative der EU-Sozialminister*innen seinen zu begrüßen, allerdings gebe es hier zu viel „soft law“. Sie pflichtete Gabriele Bischoff bei, dass es Mindeststandards brauche bei Respekt nationaler Gepflogenheiten. In den Bereichen wie Arbeitsmobilität und Koordinierung der sozialen Sicherung, die sich nicht national regeln lassen, brauche es mehr europäisches Handeln. Insbesondere junge Menschen müssten stärker gefördert werden.
Arne Franke hob hervor, dass die soziale Dimension von Anfang an für den Binnenmarkt dazugehörte. Er erinnerte daran, dass über Jahrzehnte immer mehr Verordnungen dazu gekommen seien. Die Verträge sprächen eine klare Sprache, wo die EU unterstützen könne und wo nicht. Wir alle würden vom Binnenmarkt profitieren nur leider würden viele die Vorzüge nicht mehr so stark wahrnehmen. Die Wertschätzung dieser Errungenschaft sein vor allem außerhalb der EU sehr spürbar.
Stefan Förster konstatierte aus der Berliner Perspektive, dass die EU-Sozialpolitik nur zweimal in den letzten fünf Jahren Thema im Europaausschuss war. Hier seien in Berlin vermutlich andere Probleme dringender. Man sollte sich dem Thema aber stärker annehmen. Mindeststandards seien zu begrüßen.