zusammengestellt von Andreas Streit, Ronald Frank und Lisa Kühn (Europa-Union Berlin e.V.) sowie Dr. Dagmar Klein (Europabeauftragte des Bezirks Reinickendorf)
„Mit Kind und Kegel - auf nach Tegel“. Die wunderschöne Landschaft um den Tegeler See war für die gestressten Großstädter schon immer eine Ausflugsreise wert und schon Goethe schwärmte davon. 1920 wurde Tegel aus dem Landkreis Niederbarnim in der preußischen Provinz Brandenburg nach Groß-Berlin eingemeindet und gehört seitdem zum Berliner Bezirk Reinickendorf. Tegel ist flächenmäßig der zweitgrößte Berliner Ortsteil. Das beschauliche und übersichtliche Alt-Tegel liegt direkt am Tegeler See und wurde erstmals 1322 urkundlich erwähnt. Vermutlich war “Tygel“ ursprünglich ein slawisches Fischerdorf.
Zum Start unseres Spaziergangs treffen wir uns am sogenannten Schinkel-Brunnen. Dieser liegt etwa 50m vom U-Bahnhof Alt-Tegel (Ausstieg in Fahrtrichtung) entfernt.
Dieser klassische Schalenbrunnen stammt wohl aus den 1880er-Jahren. Der Brunnen stand bis zu seinem Abbruch 1954 im Umfeld der Gartenanlage der Technischen Universität in Berlin-Charlottenburg. Als ihre Trümmer entsorgt werden sollten, wurden sie vom Berliner Steinmetz und Bildhauer Hartmut Breuer geborgen und eingelagert. In den 1970er Jahren kam es auf Initiative des Bezirksamtes Reinickendorf zur Wiederaufstellung und Restaurierung.
Die manchmal in den Quellen zu findende Bezeichnung des Brunnens als „Schinkel-Brunnen“ ist allerdings irreführend, da bisher kein Baumeister/Urheber des Brunnens nachweislich zugeordnet werden konnte.
Wegbeschreibung: Wir gehen die Karolinenstraße entlang nach Norden, am Johanniter-Stift vorbei, und treffen auf die Humboldt-Bibliothek.
Karolinenstr. 19
Die 1989 eröffnete Zentralbibliothek des Bezirks Reinickendorf bietet mit ihrer besonderen Architektur und der verkehrsgünstigen Lage ein umfangreiches Medienangebot. Ein besonderer Bestandsschwerpunkt liegt dabei natürlich bei den namensgebenden Brüdern Alexa-der und Wilhelm von Humboldt. Das postmoderne Bibliotheksgebäude wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1987 von Charles Willard Moore entworfen. Die Bibliothek ist überdies ein kultureller Treffpunkt: Sie ist der idealen Rahmen für Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Preisverleihungen.
Mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) wurde die Bibliothek von 2009 bis 2015 technisch aufgerüstet (Einführung der RFID-Technologie im Verbund der öffentlichen Bibliotheken Berlins, VÖBB).
Nähere Informationen gibt es unter: https://www.berlin.de/stadtbibliothek-reinickendorf/bibliotheken/humboldt-bibliothek/artikel.1173280.php
Wir sprechen mit Frau Bornett, Leiterin der Bibliothek.
Wegbeschreibung: Wir gehen zurück zur Karolinenstraße. Linker Hand erreichen wir die Straße “An der Mühle“, die zur Adelheidallee wird. Geradewegs erreichen wir das Schloss Tegel.
Adelheidallee 19
Das Schloss steht mitsamt aller Nebengebäude und den Grabstätten im Schlosspark unter Denkmalschutz. In seiner jetzigen Form ist das Humboldt-Schloss nach den Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel zwischen den Jahren 1820 und 1824 errichtet worden (ursprünglich war es ein Renaissance-Herrenhaus) und wurde zum Alterssitz Wilhelm von Humboldts, der sich nach dem Rückzug aus seinen staatlichen Ämtern und als Präsident der von ihm mitgegründeten Berliner Universität (heute Humboldt-Universität) hierher zurückzog und sich seinen Sprachstudien widmete.
Die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt sind hier aufgewachsen und im Sinne der Aufklärung zunächst von Joachim Heinrich Campe als Hauslehrer und Erzieher, ab 1777 dann von Gottlob Johann Christian Kunth (Gedenktafel am Eingang der Schlosszufahrt) erzogen und für den Staatsdienst vorbereitet worden. Jeder der Brüder hat auf seine Weise durch sein Wirken die Entwicklung eines liberalen offenen Europas entscheidend mitgeprägt: Alexander durch seine revolutionäre vernetzte Beschreibung der Natur (Kosmos) und seines sozialen Engagements, und Wilhelm als Diplomat und Bildungspolitiker durch die Förderung der allgemeinen Schulbildung und des Ideals der freien, von politischen Zwängen unabhängigen Forschung und Lehre.
Heute ist das Schloss in privater Hand. Die Räume können montags nach Vereinbarung besichtigt werden (Humboldt-Museum). Der Weg bis zur Grabstätte der Familie und der Gebrüder Humboldt ist gegen eine kleine Spende zugänglich. Wir betreten hier ein Privatgelände. Den Anweisungen der Besitzer ist strikt zu folgen. Die Begehung des Geländes erfolgt auf eigene Gefahr. Es wird jegliche Haftung ausgeschlossen. Der Weg durch den Park ist nicht barrierefrei!
Wegbeschreibung: Wir laufen zurück zur Straße, biegen dort rechts in die Gabrielenstraße ein und laufen diese bis zum Ende entlang. Dann biegen wir rechts ab auf den Fußweg „An der Malche“ und erreichen so die „Dicke Marie“.
An der Malche 1
Diese riesige Eiche ist vermutlich der älteste Baum der Stadt. Auch Johann Wolfgang von Goethe soll ihr angeblich bei seiner Durchreise oftmals einen Besuch abgestattet haben. Den Namen „Dicke Marie“ bekam der Baum wohl von den Gebrüdern Humboldt, die hier ihre Kindheit verbrachten, in Anspielung auf die beleibte Köchin im Schloss. Diese Stiel-Eiche (Quercus robur) wurde 2021 vom zuständigen Kuratorium zum „Nationalerbe-Baum“ Deutschlands ausgerufen.
An dieser Stelle sei ein Hinweis auf die Europäische Forstpolitik angebracht. Die letzten Ur- und Naturwälder in der Europäischen Union schwinden dahin. Profitgier, politische Ignoranz und Korruption im großen Stil bedrohen diese Wälder, die über Jahrhunderte und Jahrtausende gewachsen sind. Wenn sie abgeholzt werden, würden unzählige seltene Pflanzen und Tiere ihre Heimat verlieren. Zudem würde der Kampf gegen die Klimakrise einen erheblichen Rückschlag erleiden. Die EU-Kommission hat 2022 ein Naturschutzpaket als ein wichtiges Signal für den Natur- und Meeresschutz auf den Weg gebracht. Dazu zählen insbesondere eine Überarbeitung des Pestizidanwendungsrechts und ein neuer rechtlicher Rahmen für verbindliche Ziele zur Renaturierung von Ökosystemen in der Europäischen Union. Viele Ziele sind noch recht vage gehalten, sind aber ein wichtiger Anfang.
Wegbeschreibung: Zurück am Ufer des Tegeler Sees führt uns der Weg linksseitig am Ufer entlang. Auf einer kleinen Landzunge steht ein bemerkenswertes Kunstwerk.
Seglerkopf an der Malche
Hannah Höch (1889 - 1978) war eine deutsche Malerin und Collagekünstlerin des Dadaismus. Der Künstler Siegfried Kühl schuf die Skulptur „Der archaische Erzengel von Heiligensee“ anlässlich ihres 100. Geburtstages. Mit der Präsentation von 24 ihrer Arbeiten auf der Ausstellung des Europarates 1977 in der Akademie der Künste Berlin zum Thema „Tendenzen der 20er Jahre“ wurde ihr Werk nachhaltig geehrt. Mit diesen Ausstellungen will der Europarat in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für das europäische Kulturerbe schaffen. Bisher wurden 30 Ausstellungen gezeigt (Stand 2018). Diese befassten sich mit den wichtigsten europäischen Kunstrichtungen und historischen Epochen Europas von der Frühgeschichte bis heute.
Wegbeschreibung: Wir folgen dem Uferweg bis zur Sechser-Brücke.
Früher brachte ein Fischer mit seinem Boot für einen Obolus von fünf Pfennig (einen sogenannten „Sechser“) die Ausflügler über das Tegeler Fließ. Heute nehmen wir die Brücke, die 1908 mit einer Gesamtlänge von 91 Metern als stählerne Fachwerkbogenbrücke über das Tegeler Fließ gebaut wurde. Die neuen Betreiber der Brücke hielten zunächst am „Sechser“ als Brückenzoll fest und das Publikum am Namen „Sechserbrücke“.
Wir überqueren die Brücke und befinden wir uns geradeaus auf der Greenwichpromenade. Am Ufer befinden sich zahlreiche Sitzbänke zum Verweilen.
Borsigdamm
Die Promenade wurde im Jahr 1911 auf ihre heutige Länge ausgebaut und auf 80 Meter verbreitert und befestigt. Danach entwickelte sich dieser Teil des Seeufers sehr schnell zu einem beliebten Naherholungsziel. Im Jahr 1966 bekam die Greenwichpromenade ihren Namen im Zuge einer Städtepartnerschaft des Bezirks Reinickendorf mit dem Londoner Bezirk Greenwich. Markant sind die britische Telefonzelle und ein britischer Briefkasten, Geschenke des Royal Borough of Greenwich.
An der Promenade befinden sich auch der Flusskreuzfahrtanleger für Fahrten nach Polen oder zur Ostsee sowie die Anlegestellen der Schiffe, die Touren über den Tegeler See und die Havel hinunter bis zum Wannsee sowie bis zum Regierungsviertel anbieten.
Neben der Städtepartnerschaft mit Greenwich/London (UK) hat Reinickendorf noch internationale Partnerschaften mit Antony (Frankreich) und mit Kiryat Ata (Israel). Solche Städtepartnerschaften sind eine lebendige Form des europäischen Zusammenwachsens.
Mehr erfahren wir von Frank Zemke.
Wegbeschreibung: Wir flanieren geradeaus am Ufer entlang bis zum Ende der Greenwichpromenade.
Borsigdamm 4
Die zwei gusseisernen Kanonen aus dem 18. Jahrhundert stammen ursprünglich aus Schottland und sind ebenfalls ein Geschenk der Partnerstadt Greenwich. Ein Findling aus der letzten Eiszeit steht mittig zwischen den runderneuerten Kanonen.
Am Ufer werden wir belohnt mit einem herrlichen Ausblick über den Tegeler See, und hölzerne Liegebänke laden zum Verweilen ein. Auf der rechten Seite erkennt man die beeindruckende Villa Borsig - ursprünglich das Landhaus der Unternehmerfamilie Borsig. Bis zur Wiedervereinigung war diese Villa die Residenz des französischen Oberkommandierenden in Berlin. Heute gehört die Villa, zusammen mit den benachbarten Gebäuden, zum Gelände der Akademie des Auswärtigen Amts. Hier werden seit Anfang 2006 alle Angehörigen des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland ausgebildet. Die Villa selbst dient als Gästehaus des Auswärtigen Amts. Viele europäische und internationale Staatsgäste haben hier getagt. Zum Beispiel war hier der Konferenzort des „Normandieformates“, bei dem Russland, Ukraine, Deutschland und Frankreich an einer Lösung für die Ukraine-Krise arbeiteten.
Das Gelände ist nicht öffentlich zugänglich.
Wegbeschreibung: Der Borsigdamm, in nordöstliche Richtung, wird zur Veitstraße. Hier biegen wir in die zweite Querstraße links ein, in den Medebacher Weg, umrunden den Brunowplatz an der Herz Jesu Pfarrkirche und folgen geradeaus dem dort verlängerten Medebacher Weg.
An der zweiten Querstraße rechts (Straße Alt-Tegel) erreichen wir unsere letzte Station.
Alt-Tegel 21
Mit einer Reminiszenz an die frühere französische Zone kehren wir ein im “Le Charpentier“ und werden vom Chef Maik Zimmermann begrüßt. Die Brasserie bietet eine einzigartige Auswahl an Weinen, Créments und Champagner an. Gäste werden auch mit leckeren französischen Speisen verwöhnt. Hier kann man das französische „Savoir Vivre“ genießen.
Wir sprechen mit Maik Zimmermann.
Wegbeschreibung: Wir folgen der Fußgängerzone Alt-Tegel rechter Hand und erreichen den U-Bahnhof Alt-Tegel, wo wir uns verabschieden. Mit der U6 Richtung Mariendorf geht es in die Innenstadt.
Alternativ kann man geradeaus weiter auch die neue Fußgängerzone, das “Tegel Quartier“ in der Gorkistraße, durchqueren. Am Ende erreicht man auf der rechten Seite den S-Bahnhof Tegel. Mit der S25 geht es in Richtung Teltow-Stadt nach Berlin-City.
Die Europa-Union Deutschland (EUD) ist die größte Bürgerinitiative für Europa in Deutschland. Unabhängig von Parteizugehörigkeit, Alter und Beruf engagieren wir uns für die europäische Einigung. Wir sind aktiv auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Die Europa-Union Berlin (EUB) möchte den Bürger:innen der Stadt und auch unseren Gästen zeigen, wo und wie in der Stadt Europa gegenwärtig ist und auf unser Leben wirkt. Dazu organisieren wir Europäische Kiezspaziergänge, um in unseren lebendigen Nachbarschaften europäische Spuren aufzuzeigen. Unsere Kiezspaziergänge sind grundsätzlich als reale Begegnung der Teilnehmer:innen und gemeinsame Erwanderung der Stationen mit persönlicher Begrüßung und Erläuterung der besuchten Einrichtungen konzipiert.