EUB
Willkommen in unseren neuen Räumen in der Chausseestraße, lieber Herr Noth. Wie Sie wissen, ist Ihre Poster-Serie, die sie in den Jahren 1965 bis 1975 für die Europa-Union Berlin gefertigt haben, unvergessen. Unser Co-Vorsitzender, Manuel Knapp, hat einige Ihrer Europa-Motive sogar käuflich erworben. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, solche Poster, die sich ausnahmslos durch eine hohe Symbolik auszeichnen, für uns zu entwickeln?
Volker Noth
Die Geschichte ist kurios, in der Tat. Ich hatte 1965 gerade mein Studium beendet und plante, gemeinsam mit meinem Partner Cordes Hauer ein Grafikstudio zu eröffnen, das wir dann Noth & Hauer nannten. Bei einem Besuch in einer Arztpraxis erzählte ich meinem Vertrauensarzt davon. Der wiederum erzählte einem gewissen Dr. Herrmann Krätschell von mir und meinem Neustart als Grafiker. Dr. Krätschell hat damals die EUB geführt, war ihr Vorsitzender. Ich kannte Krätschell nicht; mein Arzt stellte den Kontakt her, brachte uns zusammen. Es war der Beginn einer jahrelangen Zusammenarbeit. Für mich als Berufsanfänger war diese Begegnung ein kleines Wunder.
EUB
Ja, es klingt wie eine wunderbare Fügung. Haben Sie Herrn Krätschell dann Vorschläge gemacht?
Volker Noth
Nein, es war umgekehrt. Dr. Krätschell sagte zu mir: kommen Sie doch mal zu uns, in die EUB. Ich folgte dieser Einladung. Dort eröffnete er mir, er brauche Plakate, und zwar für den Europatag sowie für den Europäischen Schultag. Es war mein erster richtiger Auftrag, ein Glücksfall für mich.
EUB
Welches war Ihr erstes Plakat?
Volker Noth
Das erste Poster, was ich ihm lieferte, war das Plakat mit dem Atom - Motiv. Danach folgte 1967 das Plakat mit dem Notenschlüssel. Krätschell gefiel, was ich für ihn gestaltete. Stets waren nur wenige Korrekturen nötig. In der Regel folgten dann 2 Plakate pro Jahr. Insgesamt wurden es schließlich 17 Poster.
EUB
Wie wurde damals, in Zeiten ohne digitale Programme, ohne Internet, gearbeitet?
Volker Noth
In der Tat, Fotobearbeitungsprogramme und sonstige digitale Hilfsmittel standen noch in den Sternen. Ich habe ab 1970 meistens mit Fotografien gearbeitet. Das Motiv wurde gebaut, gebastelt sozusagen, und dann abfotografiert.
EUB
Dann gleich zum Thema Motive - wir bewundern noch heute die Treffsicherheit, mit der Sie europäische Botschaften in die Sprache der Symbolik und Grafik zu übersetzen verstanden. Welches sind aus heutiger Sicht Ihre Lieblingsplakate?
Volker Noth
Schwierige Frage. Ich würde als erstes das Plakat mit den Elektro-Verbindungsschnüren nennen. Ich habe es zum Europa-Tag gemacht. Es verdeutlicht nicht nur die neue Vernetzung Europas, sondern soll auch andeuten, wie elektrisierend die Idee Europa sein kann. Ein weiteres Lieblingsplakat zeigt eine Verkehrsampel; alle Lichtzeichen stehen auf grün. Meine Botschaft: Europa, starte durch!
EUB
Wie war Ihr sonstiger Bezug zur EUB?
Volker Noth
Mitglied der EUB war ich nicht, hatte aber immer einen richtig schönen Kontakt mit Ihrer Vereinigung und besonders zu Dr. Krätschell. Bis 1975 pflegten wir eine sehr gute, intensive Zusammenarbeit. Es war für mich die wichtigste Verbindung zur EUB. Aber wenn Sie das meinen – die Europäische Idee war für mich immer außerordentlich wichtig; ich bin noch im Krieg geboren, in Berlin, habe dann auf dem Darß gelebt und bin später in meine Heimatstadt zurückgekehrt. Ich habe früh erfahren, welch eine elementare Pflicht es ist, den Frieden zu bewahren. Hier hat die europäische Integration eine Jahrhundertaufgabe gemeistert. Mein Interesse am europäischen Einigungswerk ist bis heute lebendig.
EUB
Wie würden Sie rückblickend die persönliche Bedeutung beschreiben, die ihr Wirken für die EUB hatte?
Volker Noth
Auch wenn ich später größere Sachen gemacht habe, sind für mich die EUB-Projekte immer noch der Hammer!
EUB
Lieber Herr Noth, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.
Das Gespräch führte EUB-Vorstandsmitglied Dr. Hans Jörg Schrötter.
Biografische Notiz
Der Grafiker und Buchillustrator Volker Noth, geb. 1941 in Berlin, studierte an der Meisterschule für Grafik, Druck und Werbung/ Hochschule der Künste in Berlin, wurde dort später auch Lehrbeauftragter. 1967 gründete er sein erstes Atelier „Noth & Hauer“. 1977 bis 2007 war er verantwortlich für das Erscheinungsbild der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Zahlreiche Plakate entstanden für die Kinemathek, die 2000 das Filmmuseum am Potsdamer Platz eröffnet und 2006 zum Museum für Film und Fernsehen wir. Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen wurden ihm zuteil. Seit 2006 produziert er Bücher zu eigenen Themen.