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Europas Kriege - Europas Frauen

Bericht von Dr. Hans Jörg Schrötter (schroetter(at)europa-union-berlin.de)

Das Leid der Frauen im Krieg - eine zu wenig beleuchtete Perspektive? Die Veranstaltung widmete sich einer Erinnerungskultur, die sowohl erschauern lässt als auch Mut macht. Mit unglaublicher Kraft, Resilienz und Kreativität entwickeln Ukrainerinnen neue Wege für sich und ihre Familien - sei es in ihrem überfallenen Land, sei es in Ländern, in denen sie Aufnahme finden.

Wer aber heute auf das unermessliche Leid schaut, das die russische Invasion über die Ukraine gebracht hat, sollte - so ein wesentliches Anliegen dieses Abends - auch noch einmal den Blick auf einen anderen Krieg auf europäischem Boden richten, den Krieg auf dem Westbalkan vor rund 30 Jahren. Wie heute in der Ukraine, so litten auch damals die Frauen unter sexualisierter Gewalt, erlebten Schreckliches. Mehrfach wird die Entrüstung der Menschen auf dem Balkan, und besonders der Frauen, darüber thematisiert, wenn heutzutage der Krieg in der Ukraine gedankenlos als ”erster Krieg in Europa seit dem 2. Weltkrieg” gekennzeichnet wird. Zum Krieg in Bosnien fehle im westlichen Europa eine Erinnerungskultur.

Der Tagungsraum in der EAB war mit rund 80 Gästen gut gefüllt, das Interesse am Thema groß. Getragen wurde die Veranstaltung vom Netzwerk Preis Frauen Europas, der Europäischen Bewegung Deutschlands, der Europa Union Berlin e.V. und der Europäischen Akademie Berlin.

Vor Beginn der Diskussion verharrt eine junge ukrainische Künstlerin, am Boden zusammengekauert, still unter einem Tarnnetz, verknüpft mit kleinen Stoffresten, die ihre Erlebnisse im Krieg und auf der Flucht begleitet haben - ein Symbol für das Gefangensein in der Kriegssituation.

Sind wir nicht alle, so Jasmina Prpic, Preisträgerin Frau Europas 2014, aufgewachsen mit dem Satz: ”Nie wieder Krieg"? Sie betont die Bedeutung der juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen - gegen das Vergessen ebenso wie für den Prozess der Versöhnung. Und Hana Camdzic, in Bosnien geborene Initiatorin des Filmfestivals “Wake up Europe”, schildert ihren Ansatz: ”Mit persönlichen Erfahrungsberichten erreicht man die Menschen".

Drei parallel zur Diskussion präsentierte Ausstellungen schlagen den Bogen von traumatischen Erfahrungen aus dem Balkankrieg zum heutigen Krieg in der Ukraine: “Hier wie dort gibt es kein Entrinnen aus dem Erlebten". Vorgestellt wird das Buch “Lauf, Mädchen, lauf”, in dem die Autorin Mirsada Simchen-Kahrimanovic ihre persönlichen Erlebnisse und Emotionen während des Bosnienkrieges schildert. Gleichsam als “Echo” und Abschluss des Abends liest Regina Hellwig-Schmid, Preisträgerin Frau Europas 2004, aus dem Buch “Anfang des Krieges - Tagebücher aus Kyjiw” der designierten Preisträgerin 2023, Yevgenia Belorusets. Es sind Passagen, die unter die Haut gehen.

Eine Erkenntnis des Abends: Kunst kann und soll Erinnerungen wachhalten. Sie schafft Öffentlichkeit, bezeugt Verbrechen, weckt aber auch Hoffnung.