Politik

Europa-Impulse der neuen Koalition

Meinungsbeitrag der Co-Vorsitzenden


Der Koalitionsvertrag der künftigen Landesregierung liegt nun den Parteien zur Abstimmung vor. Die Ampel-Koalition im Bund ist der Berliner Koalition derweil ein paar Schritte voraus. Wenn der Ampel-Koalitionsvertrag hält, was er verspricht, erleben wir nach Jahren des Europaverwaltens die Wiederbelebung des deutschen Integrationsmotors. Die Schaffung eines föderalen Europas ist schließlich schon seit Gründung der Europa-Union ein Kernziel der größten proeuropäischen Europa-Bürger:innenbewegung.

Dabei meint „föderales Europa“, dass jede Politik- und Verwaltungsebene ihren Beitrag zu einem pluralistischen und bürger:innenfreundlichen Staat leisten soll. Ein wichtiger Schritt zu dieser Verantwortungsübernahme gelang in Berlin im Mai 2021. Dass die Förderung der europäischen Integration als Staatsziel in die Landesverfassung aufgenommen wurde, war auch der Erfolg der Europa-Union Berlin, die sich mit der Kampagne #EuropaInBesterVerfassung hierfür engagiert hatte.

Das zeigte zweierlei: Zum einen die Relevanz zivilgesellschaftlichen Engagements. Zum anderen, dass die Theorie von der Praxis eingeholt wurde. Und: Europapolitik ist in sehr vielen Bereichen längst zur erweiterten, nationalen Innenpolitik geworden. Dies muss in allen Politikbereichen mitgedacht werden. Und zwar immer unter der Maßgabe, die hehren Ziele, welche in Verfassung und Koalitionsverträgen festgeschrieben werden, nun mit Leben zu füllen.

Einige Verhandler:innen saßen sowohl auf Bundes- als auch Landesebene mit am Tisch. Damit könnte man vermuten, dass das Europakapitel in Berlin nur die „kleine Schwester“ des Europakapitels der Ampel sein würde. Doch das ist es nicht. Denn Deutschland ist ein föderaler Bundesstaat, in dem jede Ebene ihren eigenen Beitrag zur europäischen Integration leistet. Daher haben sich die Co-Vorsitzenden der EUB angesehen, welche Schwerpunkte der Berliner Koalitionsvertrag für die europäischen Lebensrealität der Berliner:innen des Landes bereithält.
 

Berlin bekennt sich zu mehr Europa

Berlin hat seit Mai 2021 die Förderung der europäischen Integration als Staatsziel in die Landesverfassung aufgenommen. Damit bekräftigt Berlin sein Bekenntnis, europäische und universelle Rechte zu wahren, zu achten und zu fördern. Diese Werte wie Menschenwürde und -rechte, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sind weltweit und auch in Europa unter Druck. Von Berlin als Stadt der Freiheit muss deshalb gerade in diesen schwierigen Zeiten ein Signal des europäischen Aufbruchs ausgehen. Die signalisierte und kostspielige Bereitschaft, die gesellschaftlichen Netzwerke in der Partnerschaft des Weimarer Dreiecks zu stärken und den Kulturzug nach Breslau weiter zu betreiben sind daher wichtige Signale zur richtigen Zeit. Jeder Cent in Jugendbegegnung und Austauscherfahrungen ist eine vielfache Investition in die demokratische Zukunft Europas. Die Unterstützung der deutsch-polnischen und deutsch-französischen Jugendwerke sind dafür essenziell.
 

Berlins „kleine“ Außenpolitik pflegen

Berlin als Stadt der zwölf Bezirke verfügt über ein breites europäisches und außereuropäisches Netz an Städtepartnerschaften. Hier liegt viel Potenzial für grenzüberschreitende Kontakte und Begegnungen auf persönlicher Ebene, aber auch für Inspirationen zur künftigen Stadtentwicklung. Denn Städtepartnerschaften können mehr sein als nur das Pflegen von Folklore (wenngleich auch das eine Berechtigung hat). Sie sind Ideen- und Ratgeber für kommunale Herausforderungen. Deutsche Städte haben in den Hochzeiten der Verschwisterungen mit Stolz ihre Verbindungen auf Plaketten und Tafeln präsentiert. Es ist Zeit, den Staub von diesen Tafel zu wischen, Farbe anzurühren und die Renaissance der städtischen Partnerschaften aktiv zu fördern.
 

Staatliche Europa-Schulen stärken

Ein Blick über den Tellerrand erweitert den Horizont – doch nicht alle haben Zugang zu solchen Angeboten. Immerhin für über 7000 Berliner Schüler:innen sind Europa und Mehrsprachigkeit im Schulalltag selbstverständlich geworden, denn sie besuchen eine der 34 Staatlichen Europa-Schulen (SESB). Die SESB sind öffentliche Schulen, die sich bewusst nicht als Eliteschule verstehen. Statt ausschließlich auf privilegiertes Publikum zu setzen, wird hier auf die Bereicherung von Heterogenität gesetzt. So zielen sie auf eine soziale Mischung und konsequente Zweisprachigkeit bis zum Abschluss der Oberschule. Ein einzigartiges Angebot und ein Pfund, das den Kindern und Jugendlichen unserer Stadt neue Zugänge verschafft. Die Koalition bekennt sich zu den SESB und will sie ausbauen. Das begrüßen wir (und insbesondere die AG SESB der EUB) sehr, genauso wie die niedergeschriebene Absicht des neuen Senats, verstärkt in die Lehrkräftefortbildung der mehrsprachigen staatlichen Europa-Schulen zu investieren.
 

Europakompetenzen ausbauen

Dass die Europabildung einen zentralen Platz im Europakapitel des Koalitionsvertrages einnimmt, zeigt die Bereitschaft des Landes, die fortwährende Entwicklung Europas sowohl im Unterricht als auch in der Verwaltung als festen Bestandteil zu verankern. Das ist wichtig, denn die Vermittlung historischer, kultureller und sprachlicher Kompetenzen endet nicht mit dem Abschlusszeugnis. Geplante Angebote zur Weiterbildung von Lehrkräften und Verwaltungspersonal, die aktuelle Trends der Politik aufgreifen, sind daher begrüßenswert. Berlins Verwaltung wird oft gescholten. Wir alle haben unsere persönlichen Erfahrungen mit ihr gemacht. Umso wichtiger ist es, die Mitarbeitenden in den Verwaltungsstrukturen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Entsendungen in andere Verwaltungsstrukturen, die Vermittlung von Europa- und Sprachkompetenzen wird Berlin als Ganzes zugutekommen. Der Knowhow-Austausch und die Sensibilisierung für Biografien unserer EU-Mitbüger:innen wird die Attraktivität unserer Stadt steigern und die Lebensqualität erhöhen.

Auch in der Erwachsenenbildung könnte das Land mehr Akzente setzen. Bildungsträger und gesellschaftliche Kräfte wie wir bieten hier viel an, auf das Berlin einfach zurückgreifen könnte. Wir haben uns daher das Ziel gesetzt, noch intensiver mit den Europabeauftragten der Bezirke zusammenzuarbeiten, ganz nach dem Motto, Europa in den Kiez zu bringen.
 

Strategie aus einem Guss

Die neue Berliner Regierung möchte eine Europastrategie unter Einbeziehung der gesellschaftlichen Kräfte erarbeiten. Gut so! Mit diesem gesellschaftlichen Erfahrungsschatz und einer Landesverfassung, mit der sich die Politik dazu verpflichtet, einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung Europas für Frieden und Freiheit zu leisten, bündelt die Europastrategie alle Initiativen und Akteure. Berlin knüpft damit an einen Reflexionsprozess an, den dieEU mit der Konferenz zur Zukunft Europas (CoFoE) in diesem Jahr angestoßen hat. Wie fruchtbar diese Diskussionen und Veranstaltungen sein können, zeigt die Berliner Initiative zur CoFoE.

Diese Europastrategie kann den Rahmen für das nächste Jahrzehnt abstecken und Berlins Ziele in der Europapolitik definieren. Die vielen losen Enden werden so endlich verknüpft. Diese Bündelung kann die zivilgesellschaftlichen Akteure stärken. Wir freuen uns darauf, Verantwortung zu übernehmen und haben dies auch in unserer Pressemitteilung deutlich gemacht.
 

Die Zukunft Europas anpacken

Die EUB blickt auf über 70 Jahre europäische Integrationsgeschichte in Berlin zurück. Zu keiner Zeit waren die Akteure, die sich um Europa und Berlin bemühen, so zahlreich, verschieden und gewillt, in den Meinungsstreit für die besten Ideen Europas einzutreten. Berlin ist bereits heute Hub für die progressive Zivilgesellschaft – lasst uns gemeinsam am großen Ganzen arbeiten!

Sie wollen dabei sein? Dann freuen wir uns über die Teilnahme an unseren Veranstaltungen und/oder Ihrer Kontaktaufnahme unter mail@europa-union-berlin.de!

Nutzen Sie außerdem auf der Startseite die Möglichkeit, sich für unseren Newsletter anzumelden. Immer am 27. eines Monats (übrigens eine Anspielung auf die 27 Mitgliedsländer der EU) versorgen wir Sie mit Terminhinweisen und Berichten. Wir lesen uns!

Mit europäischen Grüßen

Katharina Borngässer und Manuel Knapp
Co-Vorsitzende der EUB