zusammengestellt von Andreas Streit, Ronald Frank, Lisa Kühn, Florian Staudt und Alina Gosch sowie Mirka Schuster (Europabeauftragte des Bezirks Tempelhof-Schöneberg)
Schöneberg ist der nördlichste Teil des Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Er wurde im 13. Jahrhundert erstmalig urkundlich erwähnt. Im 19. Jahrhundert war der „schöne Berg“ südwestlich von Berlin mit seinen Gaststätten und angeschlossenen Annehmlichkeiten bei Berlinern sehr beliebt: „Das war in Schöneberg im Monat Mai ...“ ist beispielsweise der Beginn eines bekannten Liedes von Marlene Dietrich aus den 60ern. Der Ort wuchs enorm und erreichte 1898 Stadtstatus. 1920 wurde Schöneberg, wie viele andere Orte, in Groß-Berlin eingemeindet.
Während der Teilung Deutschlands war das Rathaus Schöneberg Sitz des West-Berliner Abgeordnetenhauses und Symbol für die politische Eigenständigkeit West-Berlins.
Heutzutage ist dieser Bezirk weit über Berlin hinaus bekannt für seine weltoffene und internationale LGBTQIA+ Community.
Wir starten am U-Bahnhof Rathaus Schöneberg und versammeln uns auf der Carl-Zuckmayer-Brücke über den Rudolph-Wilde-Park. Diese Station gehört zur kürzesten U-Bahnlinie in Berlin, der U4 mit 2,86 km. Sie wurde 1910 eröffnet und ist die erste kommunale U-Bahn in Deutschland.
Wegbeschreibung:
Unweit der U-Bahnstation kann man bereits das Rathaus erkennen. Wir folgen der Freiherr-von-Stein-Straße. Links neben den Treppen am Vordereingang, vor der Gedenktafel für John F. Kennedy, empfängt uns die Europabeauftragte des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Frau Mirka Schuster.
Während der deutschen Teilung war das Rathaus Schöneberg gleichzeitig West-Berliner Regierungssitz und Bezirksrathaus. Berühmt ist die weltliche Freiheitsglocke, die sich im Fassadenturm des Rathauses befindet. Auf Initiative von Lucius C. Clay spendeten rund 16 Millionen US-Amerikaner für den Guss der “Liberty Bell“. Das Geläut der Glocken, zusammen mit dem Freiheitsschwur, hörten die alten Westberliner jeden Sonntag um 12h vom Sender RIAS im Radio. Über den Link des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/ueber-den-bezirk/historisches/artikel.362167.php ist der Ton der Glocke und der Freiheitsschwur zu hören.
Am 26. Juni 1963 hielt der Präsident der USA John F. Kennedy die berühmte Rede vor dem Rathaus Schöneberg, die mit dem historischen Bekenntnis endete: „Ich bin ein Berliner“. In seiner Rede bekundete er, dass die Teilung Deutschlands und Europas sich gegen die Geschichte richtete und die Freiheit des geeinten Deutschlands oberstes Ziel der Westmächte bleibe. Willy Brandt, Oberbürgermeister West-Berlins, drückte den Wunsch nach friedlicher Veränderung aus. Aufgrund der Symbolkraft dieser Rede wurde der frühere Rudolph-Wilde-Platz nach Kennedys Ermordung ihm zu Ehren nach dem Präsidenten umbenannt.
Wir sprechen mit Mirka Schuster, EU-Beauftragte des Bezirks Tempelhof-Schöneberg:
Wegbeschreibung:
Wir gehen rechter Hand vom Rathaus aus gesehen die Salzburger Straße entlang bis zum Bayerischen Platz.
Das Bayerische Viertel befindet sich übergreifend in Schöneberg und im Ortsteil Wilmersdorf des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf. Dieses bürgerliche Viertel im süddeutschen Renaissancestil wurde Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut. Zahlreiche jüdische Familien und viele prominente Schriftsteller:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen lebten hier: Albert Einstein, Erich Fromm, Arno Holz, Alfred Kerr, Gottfried Benn, Rudolf Breitscheid, Erwin Piscator, Inge Deutschkron, Vladimir Nabokov u.v.m.. An 80 Straßenbeleuchtungsmasten hängen Doppelschilder, die in Worten und Bildern an nationalsozialistische Gesetzes- und Verordnungstexte erinnern und die die Entrechtung der Juden in Nazi-Deutschland dokumentieren. Im Auftrag des Senats von Berlin wurde das Bayerische Viertel 1993 quasi zu einem flächendeckendes Denkmal.
Im Café Haberland bietet der Verein „Quartier Bayerischer Platz“ Interessierten persönliche Information und Zugang zu Audio- und Videodokumenten über die Geschichte bemerkenswerter Orte und Häuser sowie den Biographien berühmter Anwohner.
Wir sprechen mit Sofia Hankel und Magdalene Rösch vom Verein "Quartier Bayerischer Platz".
Wegbeschreibung:
Wir nehmen den ersten rechten Abzweig des Platzes und folgen der Westarpstraße, um gleich im Anschluss links in die Münchner Straße einzubiegen. Wir nehmen rechts eine der ersten drei Querstraßen, um im Anschluss links in die die Berchtesgardener/Speyerer Straße einzubiegen, die an ihrem Ende Martin-Luther-Straße heißt. Linker Hand befindet sich die Jugendkunsthochschule.
JuKS steht für Jugendkunstschule und ist ein außerschulischer Lernort. Etwa 400 dieser Jugendbildungseinrichtungen bestehen in Deutschland, europaweit haben sich die Jugendkunstschulen im Netzwerk arts4all zusammengeschlossen. arts4all will den lebendigen Austausch der beteiligten Einrichtungen bezüglich der außerschulischen kulturellen Erziehung für eine offene, kreative und demokratische Gesellschaft in Europa unterstützen.
Kinder und Jugendliche, angeleitet von professionellen Künstler:innen, verwirklichen diverse Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Film, Theater, Tanz und Natur. Als eine der zwölf Berliner Jugendkunstschulen wird sie von der zuständigen Senatsverwaltung für Kultur und Europa unterstützt. Die JuKS Schöneberg besteht bereits seit 30 Jahren.
Wegbeschreibung:
Im Anschluss folgen wir kurz der Martin-Luther-Straße, um gleich rechts in die Hohenstaufenstraße einzubiegen. Von Weiten sieht man bereits den Glockenturm der St. Matthias-Kirche. Dahinter befindet sich der berühmte Winterfeldtplatz. Wir folgen kurz der Pallasstraße und auf der linken Straßenseite erreichen wir die nächste Station.
Nach dem Motto „Gutes Essen - Gute Ausbildung“ engagiert sich der Verein ubs e.V. darum,
benachteiligten Jugendlichen die Chance auf eine qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen und unter ökologischen Gesichtspunkten zu kochen. Ubs e.V. ist ein anerkannter Jugendhilfeträger und arbeitet auch im Bereich Berufsorientierung und Berufsvorbereitung mit der Jugendberufsagentur des Bezirks Tempelhof-Schöneberg zusammen. Außerdem ist ubs e.V. ist Mitglied im regionalen Ausbildungsverbund Tempelhof-Schöneberg und betreibt in den Bezirken Tempelhof-Schöneberg und Spandau drei Großküchen, eine Konditorei sowie ein à la carte Lehrrestaurant.
Das Projekt Kochschule Palladin wird auch mit Mitteln aus dem Europäischen Förderprogramm für regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt.
Wegbeschreibug:
Wir überqueren die Pallasstraße und biegen in die Elßholzstraße ab, um gleich links unsere nächste Station zu erreichen.
Die Sophie-Scholl-Schule ist Teil der staatlichen Europa-Schule Berlin, mit dem Schwerpunkt auf französischer Sprache. Bereits im 19. Jahrhundert gehörte diese Schule zu einer der wenigen “Höheren Töchterschulen“ im deutschen Sprachraum. 2007 feierte die Schule ihr 175-jähriges Bestehen und 2015 wurde sie als UNESCO-Projektschule anerkannt.
Die Staatliche Europa-Schule Berlin ist ein besonderes Angebot der Berliner Schule. Sie ist die bildungspolitische Antwort auf ein zusammenwachsendes Europa. Das Konzept der Schule ist einzigartig in der Bundesrepublik: Sie ist keine Eliteeinrichtung für besonders Begabte oder Diplomatenkinder.
Die Arbeitsgemeinschaft „Staatliche Europa - Schule Berlin“ (AG SESB) der Europa-Union Berlin ist eine Bürgerinitiative aus Eltern, Pädagog:innen und Unterstützer:innen, die vor mehr als 30 Jahren das Schulmodell der SESB mitkonzipierten.
Wegbeschreibung:
Unmittelbar neben der Schule finden wir den Eingang zum Heinrich-von-Kleist-Park.
Der Kleistpark war ursprünglich ein Teil des Botanischen Gartens in Berlin (heute in Lichterfelde) und wurde 1801 angelegt. Die Königskollonaden wurden dem Ensemble erst Anfang des 20. Jahrhunderts hinzugefügt. Anlässlich des 100. Todestages Heinrich von Kleists erhielt der heutige Park 1911 letztlich seinen Namen. Kleist war ein Erzähler und Dramatiker der Aufklärung und der Epoche des Sturm und Drangs. Sein Leben war geprägt vom ruhelosen Streben nach idealem Glück und einem Lebensplan der „freien Geistesbildung“. Mit seiner radikalen Haltung gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit hat sich Kleist zu Lebzeiten nie den erhofften Ruhm sichern können. Er blieb Außenseiter und wählte mit 34 Jahren am Kleinen Wannsee in Berlin den Freitod.
Das angrenzende Gebäude, das ehemalige preußische Kammergericht (erbaut 1909 – 1913), erlangte traurige Berühmtheit als Volksgerichtshof an dem mehr als 200 Todesurteile gefällt wurden: Hier fanden die Freisler-Schauprozesse statt, u.a. gegen die Geschwister Scholl und die Attentäter des 20. Juni 1944. Nach Kriegsende wurde das Gebäude Sitz des Alliierten Kontrollrats, der obersten Regierungsbehörde der Alliierten repräsentiert durch ihre Militärgouverneure. 1971 wurde hier das Viermächteabkommen über Berlin unterzeichnet, welches bis zum 2. Oktober 1990 Gültigkeit hatte. Heute residiert dort das Berliner Kammergericht - das Gebäude hat also seine ursprüngliche Funktion zurückerhalten.
Wegbeschreibung:
Wir umkreisen den Park und nehmen den gegenüberliegenden Ausgang zur Elßholzstraße (nach links), wo wir rechts in die Grunewaldstraße einbiegen. Vor der Apostel-Paulus-Kirche, zweite Straße links, flanieren wir über die Akazienstraße bis zur Hauptstraße. Wir überqueren die Hauptstraße und erreichen, leicht links haltend, den kleinen Richard-von-Weizsäcker-Platz.
Der frühere Kaiser-Wilhelm-Platz wurde erst 2022 zu Ehren Richard von Weizsäckers, früherer Regierender Bürgermeister West-Berlins und Bundespräsident, umgewidmet. 1985 führte er mit seiner Ansprache zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft einen Paradigmenwechsel der deutschen Vergangenheitspolitik herbei, indem er den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung würdigte. In seiner zweiten Amtszeit wurde er 1990 das erste Staatsoberhaupt des wiedervereinten Deutschlands. Er war Präsident des European Leadership Network (ELN), ein im März 2011 gegründetes Netzwerk mit dem Ziel, Bedingungen für eine friedliche, atomwaffenfreie Zukunft zu schaffen.
Auf dem Platz erinnert eine Gedenktafel an die Namen der Konzentrationslager in Nazi-Deutschland. Dieser Platz war von je her ein zentraler Verkehrsknotenpunkt in Schöneberg und Berlin; an der östlichen Seite des Platzes stand ursprünglich das erste Rathaus von Schöneberg.
Wegbeschreibung:
Wir gehen die Kolonnenstraße entlang und überqueren die Julius-Leber-Brücke. Julius Leber war Widerstandskämpfer und wurde kurz vor Kriegsende in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Wir erreichen die sogenannte „Rote Insel“. Die Entstehung des Namens ist nicht eindeutig geklärt. Von je her galt die „Rote Insel“ jedoch als Wohngebiet der kleinen Leute mit einem stets hohen Anteil an linken Wählern. Zwei Weltstars verbrachten hier ihre Kindheit: Hidegard Knef und Marlene Dietrich.
Hinter den Gleisen, nehmen wir sogleich den ersten Weg rechts, der uns zum EUREF-Campus führt. Wir halten uns links und gehen durch den Park zum EUREF-Gelände.
Auf der roten Insel, rund um den weit sichtbaren Gasometer, entstand mit dem Europäischen Energieforum (EUREF) ein Stadtquartier der Nachhaltigkeit. Mit einem Smart.City-Konzept wird hier das Ziel einer klimaneutralen Energieversorgung und Mobilität verfolgt. Zahlreiche Unternehmen, Start-Ups und Forschungseinrichtungen, die sich dort angesiedelt haben, versuchen, intelligente Strategien zu entwickeln, um dieses umzusetzen. Das EUREF ist ein markanter Baustein für den Europäischen Green Deal geworden und erreichte nach eigenen Angaben bereits 2014 die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2050.
Das Konzept des European Green Deal wurde im Dezember 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellt. Es verfolgt das Ziel, bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der EU auf null zu reduzieren und somit als erster „Kontinent“ klimaneutral zu werden. Das Europäische Parlament forderte am 6. Oktober 2020 sogar eine weitere Verschärfung auf Reduktion der Treibhausgase um 60% bis 2030. Am 21. April 2021 einigten sich das Europäische Parlament und der Rat der EU vorläufig über das europäische Klimaschutzgesetz.
Wegbeschreibung:
Geradewegs erreichen wir die Torgauer Straße und man sieht bereits rechts den S-Bahnhof Schöneberg (Ringbahn). Das Ende unseres Spaziergangs ist erreicht.
Die Europa-Union Deutschland (EUD) ist die größte Bürgerinitiative für Europa in Deutschland. Unabhängig von Parteizugehörigkeit, Alter und Beruf engagieren wir uns für die europäische Einigung. Wir sind aktiv auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Die Europa-Union Berlin (EUB) möchte den Bürger:innen der Stadt und auch unseren Gästen zeigen, wo und wie in der Stadt Europa gegenwärtig ist und auf unser Leben wirkt. Dazu organisieren wir Europäische Kiezspaziergänge, um in unseren lebendigen Nachbarschaften europäische Spuren aufzuzeigen. Unsere Kiezspaziergänge sind grundsätzlich als reale Begegnung der Teilnehmer:innen und gemeinsame Erwanderung der Stationen mit persönlicher Begrüßung und Erläuterung der besuchten Einrichtungen konzipiert.