Botschaftsgespräch

Diskussionsabend mit dem schwedischen Botschafter S.E. Per Thöresson

von Hans Jörg Schrötter (schroetter(at)europa-union-berlin.de)

Wer vom Großen Stern durch den Tiergarten fährt, bemerkt an der Kreuzung Tiergartenstraße eine Fassade aus grünem Lamellenglas. Ein Blickfang, der Rätsel aufgibt. Dahinter verstecken sich - nicht auf den ersten Blick sichtbar – die Nordischen Botschaften. Wie seine Nachbarstaaten hat auch Schweden hier seine Repräsentanz.

Am 30. Mai empfängt uns dort S.E. Per Thöresson, Botschafter des Königreichs Schweden in Deutschland, zu unserem traditionellen Botschaftergespräch. In fließendem Deutsch begrüßt er die rund 80 Gäste, spricht über die Prioritäten im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft seines Landes, plaudert über seine frühere berufliche Tätigkeit bei Daimler in Stuttgart und seine jüngsten Erfahrungen mit Veranstaltungen in allen deutschen Bundesländern, die ihm völlig neue Perspektiven vermittelt hätten.

Eingeladen hat die Europa-Union Berlin e.V. gemeinsam mit der Botschaft des Königreichs Schweden in Deutschland und den Jungen Europäischen Föderalist:innen Berlin-Brandenburg e.V. Nach einführenden Worten von Katharina Borngässer für die EUB und von Dominik Geier für die JEF übernimmt unsere Moderatorin Lisa Kühn, Mitglied im EUB-Landesvorstand, die Regie, bittet S.E den Botschafter auf das Podium und führt uns souverän durch einen spannenden Diskussionsabend.

Für einen lockeren Einstieg sorgt sie - das Slido-System mit großer Leinwand machte es möglich – mit ihrer Eingangsfrage an alle: „Was verbinden Sie mit Schweden?“ Es wird bunt. Die Antworten reichen von „Astrid Lindgren“, „Sommer“ und „IKEA“ über „Sozialstaat“, „ABBA“ und „Zimtschnecken“ bis „Königshaus“, „Elche“, „Rohstoffe“ und „wunderschöne Natur“.

Dann aber rücken europäische Themen in den Vordergrund. Tun wir in der EU genug, um die Ukraine militärisch, politisch und wirtschaftlich zu unterstützen? „Zu wenig“ meinen 58 Prozent, „ausreichend“ 37 Prozent. Aus schwedischer Sicht, so der Botschafter, sei es ein Kampf auch für uns. Entscheidend sei, dass die EU gemeinsam auftrete. Hierzu führe die schwedische Ratspräsidentschaft intensive Gespräche mit den Mitgliedstaaten. Ein Beitritt der Ukraine „auf der Überholspur“? Der Botschafter bleibt diplomatisch; Korruption sei das eine, aber sie werde jetzt publik gemacht, im Land. Auch habe Schweden gezielt Repräsentanten der Kiewer Regierung zu zahlreichen Ratskonsultationen eingeladen.

In den Beziehungen der EU zu China sieht der Botschafter nach dem Besuch von Präsident Macron in Peking Bewegung in der Haltung vieler Mitgliedstaaten. Mehrmals am Abend betont er die europäische Einigkeit: nur die EU als Ganzes könne China beeindrucken.

Ach ja, die Türkei, ebenfalls ein Kopfschmerzthema. Der Botschafter ist zuversichtlich, dass sein Land sehr bald NATO-Mitglied werden wird.

Sehr lebendig wird es bei der Frage in die Runde, ob die demokratischen Werte und die Rechtsstaatlichkeit in der EU in Gefahr seien. Immerhin 53 Prozent der Gäste sagen: „ja, in Ansätzen“, 35 Prozent sogar „ja, sehr“. Aus dem Kreis der Gäste wird auf Ungarn und Polen verwiesen. Ein Zurückhalten von EU-Geldern, so er Botschafter hoffnungsvoll, sei effizienter als andere Wege, wie etwa der über Art. 7 EUV.

Und unsere Wirtschaft? Ist sie widerstandsfähig genug, um künftig in globalen Krisen zu bestehen? „Eher nein“ finden 40 Prozent unserer Gäste, „Ja, wenn wir jetzt richtig handeln“ 50 Prozent. Der Botschafter räumt Defizite ein, etwa beim Digitalen oder der Bürokratie. Sein Rat: wir sollten mehr mit Ländern Handel treiben, die unsere Werte teilen! So sollten wir Grünen Wasserstoff in der EU produzieren, statt ihn in fernen Ländern zu suchen. Übrigens - und interessant für die EU: im Norden seines Landes, in Kiruna, habe man riesige Mengen an seltenen Erden entdeckt, und es werde nun „grüner Stahl“ produziert.

Zustimmendes Nicken und Applaus erfüllt den Saal, als der Botschafter beim Thema Fachkräfte auf ein in Deutschland zu wenig genutztes Potenzial verweist – die Frauen. Warum nicht mehr Kita-Plätze schaffen und das Ehegatten-Splitting abschaffen? Bei der Migration ist er zuversichtlich, dass bis Ende Juni eine Neuausrichtung der europäischen Einwanderungs- und Asylpolitik erreichbar ist.

Ist unser Weg, von fossilen Brennstoffen unabhängig zu werden, richtig? Setzen wir unsere Technologien und unser Geld in Europa hier klug genug ein? Und - warum will Schweden neue Atomkraftwerke bauen? Das Spektrum, durch das unsere Moderatorin uns führt, ist weit gespannt. Natürlich interessiert uns von EUB und JEF schließlich, wie die schwedische Bevölkerung zur Idee eines europäischen Bundestaates steht. Der Botschafter bleibt verbindlich, aber diplomatisch professionell. Die EU sei in seinem Land derzeit populär; eine Föderation aber lehnt wohl eine Mehrheit der Schweden ab. Immerhin gewährt die EU den Schweden auf einem für sie besonders bedeutsamen Terrain alle Freiheiten – beim Konsum von Snus.

Beim beliebten Ergänzungs-Spiel am Schluss bittet die Moderatorin um Komplettierungen zu „Die EU muss....“. Aus der keineswegs ermatteten Gästeschar hagelt es Vorschläge - von „wertebasiert“, „einheitlicher“, „unbürokratischer“, „digitaler“ werden bis „mehr Freihandel wagen“, „selbstbewusster auftreten“ oder „enger zusammenrücken“.

Zum Ausklang werden wir im hellen Dachgeschoss der nordischen Botschaften mit Beweisen schwedischer Gastfreundschaft verwöhnt, mit Smörrebröd und pfiffigen Salaten - und nehmen dem Wunsch unseres Gastgebers mit nach Hause, dass die jüngere Generation stärker in den Vordergrund rücken und „es besser machen“ soll, in Europa.

 



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