Botschaftsgespräch

Diskussionsabend mit dem spanischen Botschafter S.E. Ricardo Martínez

Bericht von Hans Jörg Schrötter (schroetter(at)europa-union-berlin.de)

„Was verbindet Ihr mit Spanien“ - so lautete die Frage an die Gäste in der spanischen Botschaft in Berlin. Die Antworten, ebenso spontan wie vielfältig, reichten von „Stierkampf“, „Urlaubsland“, „Tapas“ und „Siesta“ bis „Gastfreundschaft“, „Sonne“ und „Flamenco“.

Aber es wurde auch intensiv diskutiert. 90 Minuten hatte sich S.E. Ricardo Martínez, Botschafter des Königreichs Spanien in Berlin, am 15. November 2023 Zeit genommen – für das traditionelle und außerordentlich beliebte Botschaftsgespräch, ausgerichtet von jeweils dem Land, das turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Eingeladen hatte die Europa-Union Berlin e.V. (EUB) gemeinsam mit der spanischen Botschaft und den Jungen Europäischen Föderalist:innen Berlin-Brandenburg e.V. (JEF). Nach einführenden Worten von Katharina Borngässer für die EUB und von Dominik Geier für die JEF übernahm unser Moderator Manuel Knapp, Co-Vorsitzender der EUB, die Regie und führte uns souverän durch einen spannenden Diskussionsabend.

Seine erste Frage an unseren Gastgeber: „Was verbinden Sie mit Deutschland?“ In fließendem Deutsch berichtete er, man habe ihn schon im Studium „El Aléman“ genannt. Seine erste berufliche Station führte ihn nach Deutschland, seine älteste Tochter sei in Bonn geboren, und überhaupt: “Ich fühle mich halb als Deutscher. Halb als Spanier“.

Beim Thema „Strategische Autonomie“ wurde er ernster. So wie Deutschland und Spanien zu 80 % voneinander abhängig seien, so solle auch die EU Abhängigkeiten mit zuverlässigen Ländern suchen, etwa in der Region Lateinamerika / Karibik.

Lebhaft ging es zu bei Fragen rund um den ökologischen Wandel, eine der Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft. „Wie stellt Spanien sich auf die Energiewende ein?“ oder „Sollte die Atomenergie genutzt werden?“ Der Botschafter verkündete erkennbar stolz, sein Land sei seit drei Wochen zu 100 % dekarbonisiert. Atomstrom decke noch 15 % der Energieversorgung, aber der Ausstieg sei „beschlossene Sache“. Und 2030, man höre und staune, werde Spanien zudem Netto-Exporteur für grünen Wasserstoff sein und ihn auch nach Deutschland liefern; Verträge gäbe es schon.

Die Publikumsfrage, ob der Rechtsstaat in Spanien in Gefahr sei, verneinte der Botschafter vehement. Die Demokratie sei stark, und die Verfassung ein fester Rahmen. Für die EU-Erweiterung schlug er einen Stufenplan vor, um die Balkanstaaten je nach ihrer Integrationsfähigkeit Schritt für Schritt an EU und Binnenmarkt heranzuführen. Und die Kosovofrage? Sie sei nur auf der Grundlage des Völkerrechts und bilateral mit Serbien zu lösen. Einseitige Anerkennungen lehne er ab; „dann müssten wir auch den Donbas anerkennen“.

Die sogenannte Flüchtlingskrise habe, so der Botschafter, 2006 in Spanien begonnen. Man arbeite seit jeher an besseren Regeln, ausgerichtet an den Menschenrechten , aber auch an der Erkenntnis, dass offene Türen kein Patentrezept seien.

Kaum ein europapolitisches Thema blieb ausgespart. Er nannte den Populismus „den schlimmsten Virus unserer Demokratien“, plädierte für einen flexibleren Stabilitätspakt, sah kein Problem darin, im Rahmen einer gemeinsamen Verteidigung ein Stück Souveränität an die Union abzugeben, sprach sich für eine stärkere soziale Dimension in der EU und gegen das Einstimmigkeitsprinzip aus und bekannte sich, zur Freude vieler im Saal, unmissverständlich zum Ziel der Vereinigten Staaten von Europa.

Fazit: Wir haben einen neuen und entschlossenen europäischen Föderalisten auf unserer Seite!



Nächste Termine